Wir Streiflichter teilen zusammen die Leidenschaft des Fotografierens. Zusammen streifen wir durch unseren Lebensraum, fokussieren, beobachten, denken in kleinen und grossen Bildern und fangen die Fragmente des besonderen Moments ein. Wir freuen uns, wenn wir unsere Bilder mit dir teilen dürfen.

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Wenn Streiflichter auf Streifzug sind, sieht das so aus …

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Schäful Belalp Vol 2: Der Chrampf am Felsenweg

 

Nach dem Fotoshooting in der Rosenlauischlucht (Fotoleckerbissen Nummer 1 unseres Streifzuges) tuckerln wir gemütlich das Goms «embri» und verpassen in Blatten doch glatt die Gondelbahn um ein paar Sekunden. Gut gelaunt schweben wir dann zur Belalp im Aletschgebiet (Kanton Wallis). Wir freuen uns wahnsinnig darauf, den Schäful nochmals von einer anderen Seite fotografisch festzuhalten. Genau vor zwei Jahren haben wir nämlich an diesem Anlass zum ersten Mal fotografiert (Bildergalerie anschauen).

Die warme Nachmittagssonne wärmt unsere Gesichter und die schweren Rucksäcke lassen uns fast umkippen. Unser Weg führt uns glücklicherweise bergabwärts zur gemütlichen Hamilton Lodge, unserem Nachtquartier. Ein Tipp: Die Burger im mit Alpenchic dekorierten Restaurant sind phantastisch gut, die knackigen Pommes Frites erhalten von uns fünf Sternchen mit einem Güpfi Ketchup oben drauf. Es hat sich total gelohnt, unsere essenstechnischen Schlankheits-Ü45-Vorsätze über Bord zu werfen und so richtig, richtig, richtig über die Stränge zu hauen!

Im gemütlichen Familienzimmer diskutieren wir vor dem Wiegenliedchen das Fotoerlebnis in der Rosenlauischlucht, fachsimpeln über so manches, packen die Rucksäcke und ein kurzer Blick auf die Rosenlaui-Bilder kann sich auch keine von uns verkneifen. Cool für die Bildervorselektion ist übrigens die Funktion der Nikon D750 oder der Canon 6D, bei der die RAW-Bilder übers WLAN via App aufs Smartphone oder das Tablet gespielt und von da aus im Adobe Lightroom bearbeitet werden können.

Irenes geschmeidiger Wecker am nächsten Morgen um 5.45 Uhr ist überflüssig. Denn die Glocken der Kühe, die schon früh auf ihre Weide nahe dem Hotel trotten, holen uns sanft aus unseren Träumen. Die Mission will in Angriff genommen werden.

Der Streifzug zu den Schwarznasenschafen im Aletschgebiet

Wir haben diesen Trip im Vorfeld bestens vorbereitet und wissen genau, wo unser Fotografiestandort sein soll: Ein Felsband Richtung Oberaletschhütte. Dort müssen die Schafe, dicht aneinandergepresst, einen engen Weg meistern. Er ist in die Felswand geschlagen und führt abwärts zu einer schmalen Brücke über dem Gletscherbach.

Helferinnen und Helfer erwarten uns um 6.50 Uhr bei der Bahnstation. Sie zeigen uns freundlicherweise den Weg. André Summermatter, der Chefhirt, hat für uns dieses Treffen arrangiert. Ein ganz grosses Dankeschön, lieber André! Wir wissen deine Hilfsbereitschaft sehr zu schätzen!

Natürlich würdet ihr staunen, wie schnell bei den Streiflichtern am Morgen alles abläuft. Die Rucksäcke griffbereit, husch ins Bad, anziehen, Wanderschuhe schnüren und ab die Post. Doch oweia: Ich mache die Rechnung ohne den Herrn Hungerast. Ich denke mir: Also die bevorstehenden 300 Höhenmeterli zum Zielstandort machst du noch vor dem Frühstück. Aber: Wenn man zeitlich knapp dran ist und Gas gibt, dann können sich 300 Höhenmeterli in ein Höhenmetermonster verwandeln. Und auf einmal ist Aus-die-Maus. Zwei Riegel muss ich einschieben, und ein Traubenzückerli hinterherschmeissen, um dann die nötige Energie für den schnellen Schlussaufstieg freizumachen. Wir wissen: Um spätestens acht Uhr dreissig sind die Schafe beim Felsband. Ich schwöre: Nieeeeewieder werde ich ohne Frühstück ablaufen! Conny ist da schon anders «getuned». Sie erinnert mich an das rosa Häschen, welches in der Batteriewerbung immer weiter- und weiter trommelt… Und Irene ist eh mega schlau. Sie hat sich morgens wohlweislich noch kurz im Zimmer verpflegt.

Das Geblöke der 800 Schafe hören wir, bevor wir die Herde sichten. Bestimmt ist jetzt das letzte Murmeli wach… Wir versichern euch: Das Spektakel ist einfach phantastisch!

Mit rasendem Puls oben angekommen, bleibt kaum Zeit fürs Durchatmen. Die Schwarznasenschafe stehen auf dem Felsenweg dichtgedrängt beieinander – Kopf an Hintern, Hintern an Kopf… dies rund Vierhundertmal. Höchste Zeit, sich zu installieren und die Bilder zu schiessen, die wir jede für uns im Kopf haben.

Ein richtiger Chrampf ist das in der schroffen Felswand, für die Hirten wie auch für die Schafe. Connys brandneues 600er-Tele hält das Treiben, das Ziehen und das Stossen, das Geblärre und die durch die Luft zischenden Hirtengeiseln hautnah fest. Die Tiere ängstigen sich vor dem Geräusch des tosenden Gletscherbachs und «bocken», wo sie nur können. Laut André Summermatter wiegt ein Mutterschaf gut 90 Kilogramm. Wenn ein so schweres Tier sperrt, heisst das für die Hirten stossen, zerren und alle Kraft aufwenden, um das Tier über die Brücke zu treiben. Eine Herkulesarbeit bei so vielen Tieren! Die Männer haben nach dieser kräfteraubenden Arbeit den bevorstehenden Kuss ihrer Liebsten und das kalte Willkommensbier auf der Belalp wirklich mehr als verdient.

Das raue Hirtenleben auf hochalpinem Terrain

Überhaupt zollen Irene, Conny und ich sehr viel Respekt für die Arbeit der Hirten. Sie treiben im hochalpinen, steilabfallenden Gelände des Aletschgebiets die freilebenden Schwarznasenschafe zusammen – dies auch bei garstigem Wetter. Die Nächte sind kalt, der Wind ist fies, die Sonne aggressiv, der Regen kalt, Blitz und Steinschlag gefährlich. Die Arbeit als Schafhirt birgt viel Risiko und ist unglaublich streng. Man steigt auf, dann wieder runter, dann wieder auf – wie im Intervallhöhentraining. Die neue, einheitliche Hirtenkleidung ist übrigens ein Geschenk eines Outdoorbekleiders und aus Schweizer Wolle hergestellt. Laut den Hirten ist sie bei kalten wie auch bei warmen Verhältnissen sehr angenehm zu tragen.

Und plötzlich: Das letzte Schaf auf dem engen Felsenweg kehrt in der Mitte um und rennt blökend zurück. Sein Gedanke ist wohl:

„Wieso diese blöde Brücke überqueren, wenn es im Aletschji so paradiesisch ist?“

Der Plan hat kurze Beine, denn die letzten zwei Hirten treiben auch dieses Tier über die Brücke. Der Weg für Herde und Menschen ist nicht mehr so weit, und nach zwei bis drei Stunden ist das Ziel – die Belalp – erreicht.

Die Wiedersehensküsse der Liebsten

Wir kehren noch vor der Schafherde auf die Belalp zurück und geniessen neben der Kapelle auf einem Bänkli den besten Nussgipfel (Tipp: Man kriegt diesen Leckerbissen im Hotel Belalp neben der Kapelle). Gut platziert warten wir auf die ankommenden Hirten und Schwarznasenschafe, die zum Schluss auch noch das enge und steile «Couloir» vor der Belalp meistern. Es ist eindrücklich zu beobachten, wie respektvoll, freudig und dankbar die Hirten und die Tiere begrüsst werden. Hüte werden gelüftet, anerkennend auf Schultern geklopft, umarmt und geküsst, Kindern springen ihren Vätern entgegen und das kalte Bier besänftigt durstige Keelen.

Das Volksfest auf der Belalp ist lanciert und dauert bis spät nachts. Die alte Tradition des Schäful ist sehr echt, ehrlich und herzerwärmend. Schafe werden prämiert, es wird gefeiert und musiziert und alle sind froh, dass Mensch und Schaf mehr oder weniger heil zurückgekommen sind. Schäful heisst auch Abschied nehmen vom Sommer und dankbar sein für das, was man hat.

Die Dankbarkeit und die Ehrfurcht vor der Natur ist am Sonntag bei der «Schafteilete» und bei der heiligen Messe besonders spürbar. Nach einem gemütlichen Frühstück geniessen wir die sonntägliche Stimmung in den Bergen, den interessanten Austausch mit Hinz und Kunz, die geniale Aussicht ins Tal und einfach den Moment. Bald brechen wir auf zur Seilbahnstation, fotografieren noch ein paar farbige Schmetterlinge und sind einmal mehr sehr dankbar für dieses tolle Fotoerlebnis.

Eines ist klar: Nach dem Streifzug ist vor dem Streifzug! Wir freuen uns sehr auf unser nächstes Abenteuer und danken nochmals allen Hirten, Helferinnen und Helfern, die uns so freundlich unterstützt haben.

 

(Für die Streiflichter bloggt Karin Brun-Lütolf )

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