Jura: Lac Vert, Doubs, Etang de la Gruère, Saint-Ursanne und Delémont
Jura gleich Freiberge, wilde Pferde, wallende Mähnen, Freiheit, filigranes Uhrenhandwerk, Echtheit, Bescheidenheit, Kampfgeist. Mit diesem „geistigen Bild“ denke ich an den Grenzkanton und freue mich wahnsinnig, zusammen mit Conny und Irene an einem sonnigen September-Wochenende auf Erkundungstour zu gehen.
Auf unseren Streifzügen haben wir zwar immer ein fotografisches Ziel, aber die spontanen und unvorhergesehenen Fotoabstecher sind für mich ebenso packend. So auch an diesem Samstagmorgen: Unsere Autofahrt über die A2 dauerte nämlich gerade mal 22 Minuten. Dagmersellen: Blink-blink-blink nach rechts, Baustellendurcheinander, das Feld von hinten aufrollen und nichts wie los zu den Nebelbänken, die wir von der Autobahn her gesichtet haben. Richtig cool ist es, in die sanften Hügel und in den Nebel hinein zu fotografieren. Die Bilder werden glatt als Serengeti-Savannenaufnahmen durchgehen, wetten?
Nach dem Aufwärmknipsen neben der Autobahn gehts weiter nach Deitingen Downtown in die Autobahnraststätte. Ihr müsst wissen: Noch nie waren wir soooo schlecht auf eine Tour vorbereitet. Gerade mal vier Buchstaben auf einem leeren Blatt Papier und ein voller Benzintank erinnern uns an unsere Mission. Den ersten Fuss schon im Restaurant, gehts nochmals zurück zum Bussli. Natürlich: Die Föderalitis trifft uns unmittelbar! Wo ist denn nur diese Gesichtsmaske hingekommen? In Luzern brauchts keine Gesichtsmasken, in Deitingen schon, im Jura in den Einkaufsläden, aber nicht in den Restaurants, in Solothurn, im Aargau… Das Corona-ABC entlang der A1 bringt die unterschiedlichen kantonalen Handhabungen auf den Punkt.
Das Blatt ist leer, unsere Ad-hoc-Planung kann starten: Die Webseite von Jura & Drei-Seen-Land erweist sich dabei als hilfreiches Instrument. Hier ist aufgeführt, was die Touristin gesehen haben muss.
Spot 1: Märchenland Gorges du Pichoux und Lac Vert
Weil wir zur Mittagszeit fotografieren werden und die Sonne ziemlich grell scheint, beschliessen wir, als erstes die Gorges du Pichoux und den Lac Vert zu besuchen. Dieser Entscheid lohnt sich. Der romantische, kleine See mit Sandbank erinnert an eine türkisblaue Lagune, die sommergrünen Blätter der Laubbäume spiegeln sich im Wasser, kleine Bächlein mäandrieren durch den Mischwald, der Boden und die Baumstämme sind über und über mit weichem, dunkelgrünem Moos bewachsen. Ein Paradies für Langzeitaufnahmen mit Graufilter.
Wir können uns kaum losreissen, doch die Vernunft siegt. Auf der Weiterfahrt Richtung Saint-Ursanne staunen wir ob der kleinen, einfachen Dörfchen. Bellelay, Undervelier, Clovelier, Bassecour, Berlincour… Die Ortsnamen fühlen sich an wie geschmeidiger Honig im Gaumen. Sie tönen so lieblich-kreativ und wir diskutieren, wie wohl diese speziellen Ortsnamen ihren Weg ins Jura gefunden haben.
2. Spot: Saint-Ursanne
In Saint-Ursanne brennt die Sonne, der Beweis sind Connys herzigen, roten Wangen. Leider wird das Kopfsteinpflaster des Städtchens neu verlegt und so ist das Fotografieren ein kleiner Spiessroutenlauf zwischen Baustellenmarkierungen, Baggern und Kränen. Rund um die Kirche finden wir einige malerische Eckchen, die unser Fotoherzli höher schlagen lassen. Nett sind die Menschen im Restaurant – man spürt, dass sie keine einfache Zeit hinter sich haben und so ergeben sich überraschend-offene Gespräche. Nach ein, zwei Stündchen haben wir auch in Saint-Ursanne ein paar schöne Bilder verewigt und der Weg führt uns weiter in den Parc naturel régional du Doubs.
3. Spot: Meditativer Doubs
Vorbei an Saignelégier gehts bergwärts ans Ufer des wunderschönen Grenzflusses. Das Licht ist milchig-grell und wir warten vergeblich auf die goldige Stimmung. Beim Fotografieren muss so viel zusammenpassen. Der heutige Tag zählt lichtmässig definitiv nicht zu unseren Lucky-Punches. Dennoch ist die Natur phänomenal schön und wir können die friedliche Stimmung voll und ganz geniessen. Sogar zwei Eisvögel haben wir gesichtet. Die Farbwelt entlang des Doubs wirkt fast schon meditativ: grün, grün und nochmals grün. Zum Fotografieren ist das ziemlich schwierig, denn es braucht schon eine Portion Kontrast, damit sich die grünen Farbnuancen voneinander genügend unterscheiden können. Aus unserer Sicht lohnt es sich, gezielt mit der Tiefenschärfe zu spielen und ein Objekt ganz klar ins Zentrum zu setzen. Zudem hilft ein Grauverlaufsfilter bei solchen Lichtverhältnissen. Belichtet man zu lange, ist der Himmel eine weisse Sauce, belichtet man zu kurz, schwimmt man in der jurassischen Schoggisauce.
4. Spot: Die vergebliche Suche nach den frei lebenden Pferden
Es ist halb sechs, höchste Zeit also, Richtung Saignelégier zu fahren und einen tollen Ort für die letzten Sonnenstrahlen inmitten der Freiberge zu suchen. Ein paar Pferdchen als Deko wären natürlich das Sahnehäubchen auf dem Fotodessert. Nun ja, wer sich nicht genügend vorbereitet, den straft die gnadenlose Wirklichkeit. Von Pferden keine Spur weit und breit; Kühe, Kühe und nochmals Kühe, soweit unser Auge reicht. Also kurven wir umher ohne Ah-Oh-Erlebnis. Schlussendlich brechen wir die Übung ab, weil die Sonne sich verabschiedet hat. Unser Motto: Morgen ist auch wieder ein Tag.
5. Spot: Morgenerwachen am Etang de la Gruère
Und was für ein Morgen ist das! Er startet um 4.45 Uhr mit Stirnlampe, Stativ, Filtern und lichtstarken Objektiven am Etang de la Gruère. Nebel tanzt uns um die Nase, und zwischendurch spienzeln die Sternchen frech hervor. Die schlanke Mondsichel erscheint als perfektes Accessoire über dem mystischen Weiher. Auf dem spiegelglatten Wasser türmen sich Nebelschwaden wie weiche Wattebäuschchen. Mehr braucht man zu dieser genialen Morgenstimmung nichts zu schreiben. Um 8 Uhr ist der Spuk vorbei, wir haben tolle Aufnahmen im Kästchen und träumen von knusprigem Brot und einer warmen Tasse Guten-Morgen-Kaffee. Unsere Laune ist 1A und weiter geht die Reise nach Delémont. Unterwegs werden uns noch ein paar Pferdchen auf der Weide serviert, schön arrangiert, jung und alt, weiss und dunkel, verspielt und weidend.
6. Spot: Delémont
Delémont präsentiert sich an diesem warmen Spätsommertag mit schöner Blumenpracht und vielen Fahnen. Ein paar Bilder machen wir noch. Wir Streiflichter spüren aber nun doch die Müdigkeit nach zwei ereignisreichen Tagen und beschliessen, unsere Jura-Streiftour mit einem gemütlichen Imbiss auf einem lauschigen Platz mitten in der Altstadt abzuschliessen.
Jura gleich Freiberge, wilde Pferde, wallende Mähnen, Freiheit, filigranes Uhrenhandwerk, Echtheit, Bescheidenheit, Kampfgeist. Wir haben es nicht ganz geschafft, unser Kopfkino vollständig umzusetzen. Die wilden Pferde und vieles mehr fehlen uns noch in unserer Galerie. Und genau deshalb werden wir zurückkehren. A bientôt, les Jurassiens!
(Für die Streiflichter bloggt Karin Brun-Lütolf )
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